Jahresbericht 2014/2015 der Prüfungskommission und der Überwachungskommission zur Prüfung der Herz-, Lungen-, Nieren- und Pankreastransplantationsprogramme vorgelegt
Neben den verschärften Vor-Ort-Prüfungen aller Herz-, Lungen-, Lebern-, Nieren- und Pankreastransplantationsprogramme, bei denen die Experten in den vergangenen drei Jahren mehr als 4300 Krankenakten aus den Jahren 2010 bis 2012 durchgearbeitet haben, wurden unter anderem ein Mehraugenprinzip bei der Anmeldung von Wartelistenpatienten eingeführt und sogenannte Transplantationskonferenzen eingerichtet. Seit November 2012 können sich Bürger und Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen zudem an die unabhängige Vertrauensstelle Transplantationsmedizin wenden und dieser Hinweise auf Auffälligkeiten mitteilen.
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans Lippert, Vorsitzender der Überwachungskommission, hob hervor, dass in die neue Kontrollstruktur auch die Landesministerien in ihrer Funktion als Aufsicht der Transplantationszentren verbindlich einbezogen sind. Die Zusammenarbeit funktioniere reibungslos. Dass sich die Kommissionen als flexible und extrem belastbare Kontrollgremien bewährt haben, die den Anforderungen im komplexen und dynamischen Gebiet der Transplantationsmedizin gerecht werden, stellte auch die Bundesregierung in einem Bericht fest. „Die Prüfungen tragen dazu bei, verloren gegangenes Vertrauen der Menschen in die Transplantationsmedizin zurück zu erlangen. Dies bestärkt uns darin, unsere Arbeit in der nächsten Prüfperiode ebenso akribisch und effizient fortzuführen, wie bisher“, betonte Lippert.
Wie aus dem aktuellen Tätigkeitsbericht von Prüfungskommission und Überwachungskommission hervorgeht, haben sich im Bereich der Nierentransplantationen keine Anhaltspunkte für systematische Richtlinienverstöße oder Manipulationen ergeben. Es wurden lediglich
vereinzelte Dokumentationsfehler festgestellt. Bei den Pankreas– und kombinierten Nieren-Pankreastransplantationen haben die Kommissionen keine Auffälligkeiten festgestellt.
Auch die Prüfungen der Herztransplantationsprogramme haben gezeigt, dass der überwiegende Teil der Transplantationszentren ordnungsgemäß und korrekt gearbeitet hat. Bei diesen Prüfungen wurden – wenn überhaupt – vereinzelte Dokumentationsfehler festgestellt. Hingegen wurden bei nachgängigen Prüfungen des Deutschen Herzzentrums Berlin und der Herzchirurgischen Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München – Campus Großhadern systematische Manipulationen und Auffälligkeiten gefunden. Die Prüfungen sind in der vorangegangenen Prüfperiode begonnen und nun abgeschlossen worden. In drei weiteren Zentren wurden in dieser Prüfperiode systematische Richtlinienverstöße und Manipulationen
festgestellt. Hierbei handelt es sich um das Universitätsklinikum Heidelberg, das Universitätsklinikum Jena und das Universitätsklinikum Köln-Lindenthal.
Bei den Prüfungen der Lungentransplantationsprogramme ist eine Vielzahl an Auffälligkeiten festgestellt worden, die aber in den meisten Fällen auf Versehen, Unkenntnis oder mangelnde Sorgfalt zurückgeführt werden konnten. Hierbei dürfte auch die Umstellung des Allokationssystems für die Lunge auf das LAS-System im Dezember 2011 eine Rolle gespielt haben.
Allerdings wurden in zwei Zentren systematische Richtlinienverstöße und Manipulationen festgestellt. Es handelt sich um das Universitätsklinikum Jena und die Ludwig-Maximilians-Universität München.
Prof. Dr. Hans Lilie, Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer, wies darauf hin, dass die verschärften Prüfungen der Kommissionen nicht nur einen Kulturwandel in den Krankenhäusern angestoßen hätten, sondern deren Ergebnisse auch in die Richtlinienarbeit der Ständigen Kommission Organtransplantation einflössen.
Er ergänzte, dass seit dem Herbst 2013 für die Richtlinien ein Genehmigungsvorbehalt durch das Bundesministerium für Gesundheit besteht. „Die Zusammenarbeit mit dem BMG ist konstruktiv und vertrauensvoll und hat sich in der Praxis bewährt.“ so Lilie. Dies verdeutlicht das Beispiel der überarbeiteten Richtlinie für die Wartelistenführung und Organvermittlung zur Lebertransplantation. Diese war, aufgrund der überarbeiteten Regelung zur Alkoholkarenz, auf ein erhöhtes öffentliches Interesse gestoßen. Das BMG hatte die Richtlinie zur verfassungsrechtlichen Absicherung ans Bundesministerium für Justiz zur Überprüfung gegeben. Die Richtlinie konnte unverändert genehmigt werden.
Prof. Dr. Ruth Rissing-van Saan, Leiterin der Vertrauensstelle Transplantationsmedizin, gab einen Überblick über die Arbeit der Vertrauensstelle. Deren Aufgabe ist es, auf vertraulicher Basis Hinweise auf Auffälligkeiten im Bereich der Organspende und der Organtransplantation entgegenzunehmen und in Kooperation mit der Prüfungskommission und der Überwachungskommission zu klären. „Dabei ist auch die Möglichkeit einer anonymen Kontaktaufnahme vorgesehen“, führte Rissing-van Saan aus und hob hervor, dass die Vertrauensstelle allen für Anfragen oder Anschreiben offen steht und damit eine ganz wesentliche bürgernahe Funktion hat. Patienten, Angehörige, medizinisches Personal sowie interessierte Bürger haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen, Beschwerden vorzubringen, auf Missstände hinzuweisen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.
Rissing-van Saan teilte mit, dass in dieser Prüfperiode insbesondere Anfragen, Anzeigen und Beschwerden zu Themen der Lebendorganspende oder Beanstandungen von betroffenen Patienten im Zusammenhang mit einer Lebendorganspende, ebenso Anfragen zu Problemen der Hirntoddiagnostik und konkrete Hinweise auf Personen im In- und Ausland wegen des Verdachts des Organhandels eingegangen sind. Vor dem Hintergrund des aktuellen Geschehens haben sich zunehmend auch Fragen zur Aufnahme von Asylbewerbern bzw. Flüchtlingen auf die Warteliste gestellt. „Diese Problematik muss grundsätzlich geklärt werden“, so Rissing-van Saan.
Um dem Auftrag des Gesetzgebers und dem besonderen Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu entsprechen, veröffentlichen die Prüfungskommission und die Überwachungskommission in ihrem Jahresbericht auch sämtliche Stellungnahmen zu bisherigen Prüfungen in anonymisierter Form.